Stentimplantation bei zentralen Venen

Die obere und untere tumorbedingte Einflussstauung zählen zu den onkologischen Notfällen und werden durch eine zentrale venöse Obstruktion verursacht. In der oberen Körperhälfte weisen die Symptome Zyanose, ödematöse Schwellung von Hals, Gesicht, Schulter und Arm sowie Kopfschmerzen auf dieses Krankheitsgeschehen hin. In der unteren Hohlvene sind die führenden klinischen Symptome eine ödematöse Schwellung von Beinen und äußerem Genitale, eine deszendierende Phlebothrombose sowie je nach Lage der Obstruktion ein Budd-Chiari-Syndrom oder eine Niereninsuffizienz. Die zentralen Venen setzen aufgrund ihrer dünnen Wandung und dem geringen Innendruck einem expansiv wachsenden Tumor keinen wesentlichen Widerstand entgegen. Die Folgen sind Einengung und schließlich Verschluss dieser Venen, wobei die klinische Symptomatik von der Geschwindigkeit abhängt, mit der sich der Tumor ausbreitet. Neben der Venenkompression kommt seltener auch ein Tumoreinbruch in die Vene vor. Eine perkutane Behandlung wird dadurch erschwert oder unmöglich gemacht. Sowohl Tamorkompression als auch Tumorinfiltration können zum thrombotischen Kavaverschluss führen. Bei langsamem Tumorwachstum kann der Kavaverschluss symptomarm bleiben, weil das Blut über kollaterale Venen der Thorax und Bauchwand, paravertebrale Venen, evtl. auch durch retrograden Fluss im AzygosHemiazygosSystem ausreichend abfließen kann. Tritt der Kavaverschluss dagegen rasch ein, führen Atemnot, Tachykardie und zerebrale Blutungen in der oberen Körperhälfte, Leber und Niereninsuffizienz in der unteren Körperhälfte evtl. zum Tode.

Das Bronchialkarzinom ist die häufigste Ursache der oberen Einflussstauung. Etwa 35% dieser Patienten erleiden im Krankheitsverlauf eine Einflussstauung. Es ist aber nicht nur an diese und andere Mediastinaltumoren, sondern auch an durch mechanische oder chemische Irritation entstandene Venenobstruktionen zu denken, die von Herzschrittmachern und zentralen Venenkathetern hervorgerufen werden. Zentrale Venenstenosen sind auch bei Hämodialyseshunts bekannt. Retroperitoneale Tumoren, maligne Lymphome und Lebertumoren können in ähnlicher Weise eine Kompression oder Okklusion der V. cava inferior bewirken. Tumoren des Bekkens können die Iliakalvenen einengen und eine ein oder doppelseitige Beinschwellung, ggf. mit deszendierender Phlebothrombose, verursachen. Die Behandlung der tumorbedingten oberen Einflussstauung stützte sich in der Vergangenheit auf die notfallmäßig durchgeführte Strahlen und Chemotherapie. Bei Patienten in gutem Allgemeinzustand wurden operativ Tumorverkleinerungen, evtl. mit Bypass der V. eava superior vorgenommen. In den letzten Jahren sind interventionelle radiologische Verfahren wie die Angioplastie, die lokale Fibrinolyse und Stentimplantation hinzugekommen, die den Vorteil bieten, dass der Patient mit einem kleinen Eingriff rasch seine Beschwerden verliert und die onkologische Therapie nicht unter Notfallbedingungen durchgeführt werden muss.

Technik

Für die dauerhafte Eröffnung der Stenosen zentraler Venen werden Stents von ausreichender Dimension und Hubkraft benötigt. Zur Verfügung stehen:

  • Gianturco-Z-Stent,
  • Wallstent,
  • Mernotherm-Stent,
  • Palmaz-Stent.

Selbstexpandierende sind ballonexpandierenden Stents vorzuziehen, da durch die therapiebedingte Tumorregression die Gefäßweite im Krankheitsverlauf wieder zunimmt und nur die selbstexpandierenden Stents mit dem Gefäßlumen "mitwachsen" können. Anfänglich standen nur die 2,5 cm langen GianturcoZStents und die 5 cm langen ZDoppelstents zur Verfügung, die heute durch den Wall und MemothermStent weitgehend ersetzt worden sind, weil deren Hubkraft größer und ihre Platzierung einfacher ist. Eigene Erfahrungen stützen sich auf die Behandlung von 68 Tumorpatienten, von denen 55 an einer oberen, 13 an einer unteren Einflußstauung litten. Bei den eigenen Patienten wurden alle Venenobstruktionen, die mit einem Stent behandelt wurden, durch Tumoren verursacht. Der Stentimplantation geht in der Regel eine Dilatationsbehandlung mit Ballonkathetern von 10-16 mm Durchmesser voraus. Die Platzierung und vor allem die Entfaltung des Stents wird dadurch erleichtert. Eine Nachdilatation nach Stenteinbringung kann zusätzlich erforderlich werden. In diesem Fall ist der Gianturco-Z-Stent nicht immer leicht zu passieren und aufzudehnen. Die 2,5 cm langen einfachen Z-Stents wurden 3mal implantiert. Da diese Stents bei der Freisetzung aus dem Führungskatheter vorwärtsspringen und damit eine exakte Plazierung des Stents schwierig oder unmöglich ist, wurden sie nicht mehr verwendet. Um die Hubkraft der Stents zu steigern oder bei längeren Stenosen die gesamte eingeengte Venenstrecke zu weiten, wurden 2 Stents überlappend eingesetzt. In der V. cava inferior wurden GianturcoZStents infrarenal und im hepatischen Kavasegment implantiert.

Bei Stenosen der V. brachiocephalica wurden Walistents von 9 mm Durchmesser und 3,6-8,2 cm Länge verwendet. Mit der Verfügbarkeit von Wallstents mit 1,6 cm Durchmesser wurden diese Stents auch in der V. cava superior und inferior eingebracht. Bei Patienten mit Beckenvenenstenosen kam nur der Wallstent zum Einsatz.

Die Stentimplantation wird überwiegend transfemoral, gelegentlich transjugulär in Lokalanästhesie unter Verwendung eines 25 cm langen 7 bis 9FEinführbestecks vorgenommen. Aufgrund des Blutungsrisikos im Fall einer Gefäßperforation ist es günstiger, den Zugangsort im nichtgestauten Bereich zu wählen. Der transbrachiale Zugang ist bei Katheterdimensionen von 10-12F ungeeignet. Bewährt hat sich die Pfadfindertechnik der digitalen Subtraktionsangiographie für die Lokalisation der Stenose, Plazierung des Stents und Ballondilatation. Eine elektrokardiographisehe Überwachung ist beim transfemoralen Vorgehen mit Passage des rechten Vorhofs empfehlenswert. Damit die Patienten trotz Dyspnoe leichter flach liegen können, erhalten sie während des Eingriffs über eine Nasensonde 34 1/min Sauerstoff. Die Passage der Venenstenose wird mit Mehrzweck oder Sidewinderkathetern vorgenommen. Bei hochgradigen Stenosen oder Verschlüssen sind zur besseren Katheterführung steife Drähte (Amplatz oder Terumo) erforderlich, weil sonst der Katheter in den Vorhof ausweicht und dort eine Schleife bildet ' Kommt der Katheter mit dem Vorhofseptum in Berührung, treten Extrasystolen auf. Venenverschlüsse werden mit lokaler Fibrinolyse behandelt, wobei sowohl die Infusionstechnik als auch die Puls-Sprüh-Technik verwendet werden können. Ist das Verschlussmaterial relativ weich und die Okklusion einfach zu passieren, sind frischere thrombotische Anteile anzunehmen. In diesen Fällen wird die Stentimplantation mit einer lokalen Fibrinolyse kombiniert. Geringe Restthrombosen behindern die Stentimplantation nicht. Sie werden vom Stent an der Venenwand fixiert und können durch eine nachfolgende Antikoagulation noch aufgelöst werden. Die Fibrinolyse kann vor der Stentimplantation vorgenommen werden, wenn die klinische Symptomatik dies gestattet. Bei einem bedrohlichen Zustand wird die Fibrinolyse nach der Stentimplantation begonnen, um möglichst rasch eine Entstauung zu erreichen. Bei Einsatz der Infusionstechnik werden 5F-Katheter mit Seitenlöchern im Thrombus plaziert, über die die Patienten 100000 IE/h Urokinase erhalten. Die Infusionsdauer beträgt 6-24 Std. Alle Patienten bekommen während des Eingriffs 1000 IE/h Heparin i. v. und für mindestens 3 Tage danach 20000 IE Heparin täglich, wenn bislang keine Hämoptysen aufgetreten sind. Mit der Puls-Sprüh-Technik werden im Abstand von 5 Min. manuell oder maschinell 0,2 mg rtPA mit Druck injiziert. Über 4 Std. werden insgesamt 50 mg rtPA verabreicht. Die PulsSprühTechnik verkürzt die Lysezeit, jedoch wird der Angiographieraum länger belegt.

Als medikamentöse Zusatzbehandlung genügt unmittelbar nach der Stentimplantation eine Heparinisierung mit 1000 IE Heparin über 56 Tage zur Prävention eines thrombotischen Verschlusses. Auf eine Dauerantikoagulation kann bei ausreichend großem Lumen des gestenteten Segments meist verzichtet werden. Andere Autoren empfehlen generell eine Langzeitantikoagulation. Bei hohem Fluss in der Vene, etwa bei einem bestehenden Hämodialyseshunt, ist eine Antikoagulation nicht notwendig.

Indikationen

Stents können bei unzureichendem Effekt einer Ballonangioplastie in nahezu allen zentralen Venenabschnitten sowohl bei benignen wie malignen Prozessen implantiert werden, vorausgesetzt die Stenosen oder Verschlüsse sind klinisch symptomatisch. Im einzelnen kommen folgende Läsionen in Betracht:

  • tumorbedingte Stenosen bei oberer oder unterer Einflussstauung,
  • benigne Stenosen mit oberer oder unterer Einflussstauung, nicht selten im Zusammenhang mit Hämodialyseshunts, sonstigen operativen a.v. Shunts oder auch retroperitonealer Fibrose,
  • BuddChiariSyndrom bei Lebervenenstenose und/ oder segmentaler Kavastenose oder segmentalem Kavaverschluss.

Ergebnisse

Die primäre Eröffnungsrate der Stentbehandlung ist mit über 90% erfreulich hoch. Solange Venenstenosen vorliegen, gelingt immer eine Erweiterung der Venenlichtung mit Normalisierung oder Absenkung des Druckgradienten. Irving u. Mitarb. berichten in einer Serie von 25 Patienten hauptsächlich mit Kavastenosen von einer Eröffnungsrate von 96%. Bei der Druckmessung vor und hinter der Venenobstruktion fanden sich in unserem eigenen Patientenkollektiv Druckgradienten von 31-62 mmHg vor der Veneneröffnung. Diese Druckdifferenzen konnten durch die Stentimplantation beseitigt werden. Lediglich bei 3 Patienten mit höhergradigen Reststenosen verblieben Gradienten von 8-22 mmHg. Ist bereits ein Verschluss der V. cava superior, bzw. inferior, der Schulter oder Beckenvenen eingetreten, sinkt die Rate der Wiedereröffnungen ab, da eine Rekanalisation nicht immer möglich ist und eine forcierte Rekanalisation vermieden werden sollte, damit es nicht zur Venenperforation kommt. Insbesondere im gestauten Venensystem kann die Perforation sonst größere Blutungen verursachen. Lungenembolien wurden im Rahmen einer Lysetherapie von Verschlüssen vor Stentimplantation bisher nicht mitgeteilt und sind bei unseren Patienten nicht aufgetreten.

Die Tumoren erweisen sich teilweise als äußerst derb. Ein Teil der Patienten gab während der Dilatation einen retrosternalen Schmerz an. Der Druck, den der Tumor auf die Vene ausübt, wird durch die Dilatation nicht wesentlich gebessert. Der Gewinn an freier Lichtung ist nur gering, jedoch wird durch die Vordehnung die Stentimplantation erleichtert. Das primäre angiographische Ergebnis zeigt üblicherweise Reststenosen von 30-70%. Trotzdem setzt die klinische Besserung rasch ein. Schon innerhalb weniger Minuten nimmt die livide Verfärbung ab und verschwindet wie auch der oft beklagte Stauungskopfschmerz innerhalb weniger Stunden vollständig. Das Stauungsödem bildet sich innerhalb von 12 Tagen zurück. Stentthrombosen als Frühkomplikation sind selten und traten in unserem Krankengut nicht auf Thoraxkontrollaufnahmen belegen, dass sich die Metallgitterprothesen im Verlauf von 26 Wochen weiter öffnen. Das Spätergebnis ist erfreulich. Erneute Stenosierungen wurden im weiteren Behandlungsverlauf und bei Nachuntersuchungen bis zu 38 Monaten in unserem Kollektiv nicht beobachtet. Die Rezidivrate beläuft sich auf etwa 10%. Man kann davon ausgehen, dass den meisten Patienten in der verbleibenden Lebensspanne eine wiederkehrende Einflussstauung erspart bleibt.

Die Prognose von Patienten mit oberer Einflussstauung hängt von der Art des Tumors ab. Da die Patienten sich in einem fortgeschrittenen Tumorstadium befinden, und es sich überwiegend um T4-Tumoren handelt, haben lediglich die Patienten mit einem malignen Lymphom eine längere Lebenserwartung. Ist ein Bronchialkarzinom die Ursache für die obere Einflussstauung, so liegt die mittlere Lebenserwartung zwischen 3 und 9 Monaten, ein Zeitraum, der den palliativen Charakter dieser Intervention unterstreicht. Bei zentralen Venenstenosen im Rahmen von chronischen Hämodialysefisteln sind die Soforterfolge sehr gut, längerfristig ist jedoch mit Rezidivstenosen aufgrund einer Intimahyperplasie zu rechnen. Die Behandlung eines Budd-Chiari-Sydroms ist auf einzelne Kasuistiken beschränkt.

Wertung

Bei Patienten mit tumorbedingter oberer Einflussstauung ist mit Hilfe der Chemo und Strahlentherapie fast immer eine Tumorverkleinerung und Besserung der Einflussstauung zu erzielen. Dies gilt selbstverständlich nur, wenn der Tumor die V. cava superior komprimiert. Der Tumoreinbruch in die Venenlichtung zieht einen Kavaverschluss nach sich, der durch die Tumorverkleinerung nicht mehr zu beheben ist. Die Ursache des Kavaverschlusses lässt sich histologisch klären, indem mit dem TEC-Katheter oder dem Simpson-Atherektomiekatheter Gewebe entnommen wird. Die Angioplastie der großen Leitvenen ist bei fibrosierenden und hyperplastischen Venenstenosen hilfreich, wie sie nach Schrittmacherimplantation, chronischen Hämodialyseshunts sowie bei länger liegenden zentralen Venenkathetern, auch bei Kindern, auftreten können. Eine Stentimplantation ist bei diesen gutartigen Läsionen bei klinischer Symptomatik erforderlich, wenn die Angioplastie unzureichend ist. Stenosierende oder okkludierende thrombotische Prozesse der zentralen Venen können zusätzlich mit gutem Resultat mittels systernischer oder regionärer Fibrinolyse behandelt werden.

Bei der Tumorkompression der V. cava superior und inferior sowie der V. brachiocephalica und iliaca ist die Ballondilatation allein unzureichend, da sie den Druck des Tumors auf die Venenwand nicht dauerhaft beeinflusst. Sie erleichtert jedoch die Einbringung eines Stents. Die leichten Schmerzen, die ein Teil der Patienten unter der Dilatation angeben, sprechen dafür dass Tumorgewebe durch die Dehnung traumatisiert wird. Ob die Dilatation dabei zu einer vermehrten Tumorzellausschwemmung führt, ist unbekannt. Die Entwicklung der Metallgitterprothesen hat neue therapeutische Perspektiven eröffnet. Der Lumenzugewinn, den die Dilatationsbehandlung erzielt, kann durch Stützung der Venenwand durch den Stent gesichert und verbessert werden. Voraussetzung dafür ist eine ausreichende Hubkraft des Stents, die dem Tumordruck genügenden Widerstand entgegensetzt. Selbstexpandierende Stents wie der Gianturcu-Z, Memotherm und Wallstent bewirken durch ihren konstanten Druck auf die Venenwand im Verlauf der Behandlung eine Weitenzunahme des Gefäßdurchmessers. Der Stent "wächst" mit dem Venendurchmesser, wenn die therapiebedingte Tumorrückbildung einsetzt. Es steht nicht zu befürchten, dass der Stent für die Venenlichtung zu klein wird und zu wandern beginnt. Wir konnten bei keinem Patienten beobachten, daß der Druck des Stents auf die Venenwand zu einer langsamen Penetration der Metallgitterprothese geführt hätte. Eine sekundäre Wanderung eines Gianturco-Z-Stents wird aber angegeben. Komplikationen bei den Interventionen werden nicht berichtet, sind aber im Sinne einer Perforation bei der Rekanalisation von Verschlüssen denkbar. Obwohl die Venenwand dünn ist, sind Rupturen der zentralen Venen in der Literatur nicht bekannt geworden.